Meine liebe Liesel Hab vielen Dank für Deinen lieben Brief, der mir ein so anschauliches Bild von Deinem Leben giebt. Es muss wirklich herrlich dort sein. Hoffentlich kannst Du durch die Besonderheiten Deiner Vorfreude jetz hindurch, sodass Du die Sache wirklich geniessen kannst. Nun aber zu den Berufsfragen, die Du aufrollst. Ich kann die Gefahr die Du in der Kunstgeschichte als Lebensberuf fühlst, wohl verstehen. Es liegt in ihrem Wesen als Wissenschaft, dass sie im allgemeinen eine geistige Nahrung bedeutet, bei der auf der einen Seite altbackene Sammeln und auf der anderen Seite Zuckerbrot steht; - das Brot einer dazwischen liegenden handfesten Nahrung ist schwer zu fassen. Ich würde es in einem Leben sehen, das als Ziel hat, Anderen die Augen für die Kunst zu erschliessen, ohne dass sie aus diesem Erkennen einen Beruf machen. Aber auch durch eine nicht alltägliche Wahl der Nebenfächer, die etwa mehrere Interessen, die man hat, miteinander verbinden, (bei Dir z.B. Musik) kann man der Kunstgeschichte eine besondere und ev. Fruchtbare Wendung geben. Deshalb hab ich Dir seiner Zeit, als Du mir begeistert mitteiltest, Du habest endlich die Nebenfächer über Bord geworfen, (was sowohl die Lehrtätigkeit wie eine solche individuelle Kombination der Kunstgeschichte unmöglich machte), meine recht gemischten Gefühle ausgedrückt und, - soviel ich weiss, - geschrieben, dass mich nur der Gedanke beruhigte, dass Du doch wohl einmal den Beruf als Gattin finden würdest. (Wenn ich’s nicht so geschrieben haben sollte, habe ich es jedenfalls so gedacht.) Nun liegen diese Extreme von Trockenheit und verfeinertem Genuss schliesslich in jedem Beruf, und wenn man versucht, dem Ersteren aus dem Wege zu gehen, kommt man ganz bestimmt zu nichts. Aber die beiden entgegengesetzten Welten liegen bei den meisten anderen Berufen nicht in deren Wesen so nebeneinander wie bei der Kunstgeschichte, sondern sie liegen mehr in den Staffeln, die man in ihm ersteigt. Die Gefahr ist, dass man zu den Regionen des verfeinerten Genusses überhaupt nicht kommt; dafür hat man aber die Chance, dass man in die Mittelzone des handfesten täglichen Brotes (geistig gemeint) gelangt. So scheint es mir im Buchhandel zu liegen. Ohne Kapital wird man nur selten zur eigentlichen massgebenden verlegerischen Tätigkeit gelangen, man wird in Hilfsstellungen bleiben, die je nach dem Wesen des Verlags, in den es glückt hereinzukommen und je nach der eigenen Leistungsfähigkeit mehr oder minder schmackhaft und einflussreich sein können. Ansich ist die Beschäftigung mit dem Buch mir immer reizvoll vorgekommen, nicht nur im Verlag sondern auch in der Art, wie Frauen im Sortimentsbuchhandel tätig sind, wenn eine Buchhandlung in einer Stadt einen kleinen Kulturmittelpunkt bedeutet. Vor allem in mittelgrossen Städten. Im Verlag werden die meisten abhängigen Stellen einen büromässigen Charakter tragen, der dadurch seine Besonderheit erhält, dass er sich auf geistige Dinge bezieht. Eine büromässige Schulung ist deshalb erste Vorbedingung um eine Position zu bekommen, ja, um mit Erfolg und Nutzen volontieren zu können. An der Art, wie Du Dir die Tätigkeit vorstellst, bin ich dadurch etwas irre geworden, dass Du meinst, das Studium des Russischen würde besonders nützlich sein. Wie kommst Du nur auf solche merkwürdigen Gedanken? Es ist ausgeschlossen, dass der deutsche Verlagsbuchhandel sich in absehbarer Zeit viel mit russischen Schriften beschäftigt; vielleicht möchte er es hier und da auf politischen Gebiet, aber mit strengsten Mitteln wird hier jede Publizistik verbunden. Sollte man aber wirklich einmal in einem Betrieb dieser Sprache bedürfen, so haben grössere Verlage wohl immer für ähnliche Fälle einen gründlich geschulten spezialistischen Berater, der natürlich nicht im Verlage angestellt zu sein pflegt. Für etwaige Korrespondenzen können die Kultursprachen wie Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch natürlich nützlich sein, aber ganz allgemein glaube ich, dass Du die Bedeutung der Sprachen für diesen Beruf überschätzt. Das ist vielleicht ein Trost im Hinblick auf Deinen Gedanken an England, denn ganz abgesehen davon, dass die Beziehungen zum englischen Buchhandel durch Tauchenitz weitgehend monopolisiert sind, es also wohl nur eine beschränkte Rolle bei uns spielt, ist ein Aufenthalt in England durch Devisenverhältnisse ja auf absehbare Zeit uns Deutschen verschlossen. (Nebenbei gesagt: diese Devisenfrage spielt auch in eine ev. Beschäftigung mit dem Meister von Verdun herein. Dass es noch keine genügende Arbeit über diese hochinteressante Erscheinung giebt, kommt wahrscheinlich daher, weil man ihn, so viel ich weiss, nur durch längeren Aufenthalt in fremden Ldern wirklich studieren kann, was junge Doktoranden auch in normalen Zeiten meist nicht durchführen können, und was zur Zeit durch die Devisenbestimmungen unmöglich gemacht ist. Die Schweiz u. Italien sind hier die einzigen Aussnahmen). Aber ich wollte vom Verlagsberuf sprechen. Bei dem Buch, das im Herbst von mir herauskommt, arbeitet ein junger Doktor im Verlag an der Illustrationsbeschaffung, der Satzgestaltung, der Korrektur und der Regalizenz von Besprechungen . dergl. Dies nur als Stichprobe aus dem Leben, die sich gerade vor mir abspielt. Eine innerhalb des Verlages sich abspielende fortlaufende geistige Beschäftigung scheint mir vor allem bei der Redaktion von Zeitschriften in Betracht zu kommen, die der Verlag etwa herausgibt. Wenn man bei diesem Berufswechsel an Kunstgeschichte anknüpfen will, muss man hoffen, in einen Verlag zu kommen, der eine Zeitschrift dieser Art besitzt, sonst werden die Fäden, die zum bisherigen Studium führen, nicht sehr reichlich sein. Dolche Zeitschriften giebt es heute bei uns nicht mehr viele. Eine Verbindung mit solcher Redaktion ist kein sicheres Ziel, sondern ein besonderer Glücksfall. Alles dies soll durchaus nicht dazu dienen, Dich von diesen Beruf abzuschrecken, sondern nur dazu, dass Du seine Stufen deutlicher erkennen kannst und nicht in falschem Vorstellungen lebst. Ich glaube, dass man in diesem Beruf, und zwar auch in seinen Zwischenstufen eine volle Befriedigung finden kann. Seine Spitzenstellungen, (die schwer zu erreichen sind) gehören zu den besonders interessanten Positionen des geistigen Lebens. Da ihr Wesen zum grossen Teil im Finanzieren des geistigen Lebens liegt, sind sie von Geldfragen nicht trennbar. Wenn Du nun in dieser Richtung einbiegen willst, dann möchte ich Dir eines dringend raten: tue das so schnell wie möglich. Benutze den Aufenthalt in Berlin zu einem Kursus in Bürowissenschaften, oder wie diese Künste heissen. Gleichzeitig müsste man dann sofort mit geeigneten Stellen Fühlung suchen und sehen, dass zum Herbst ein Weg gefunden wird. Bei solchem Berufswechsel würde ein weiteres Semester an der Universität Dir nur innere Unruhe bringen, und in der Tat keinen entsprechenden Sinn haben. Vor Semesterbeginn müsste man Klarheit darüber haben, ob man eine geeignete Stelle findet, denn es kommt viel auf das Wesen des betr. Verlages an. Es wird kaum einen Beruf geben, der je nach dem Haus, in das man geht, so verschieden aussieht. Wenn Du einen Entschluss fasst, schreibe Deinem Vater und beziehe Dich auf die ausführlichen Überlegungen, die in dem Brief an mich stehen. Ich werde dieses mit ihm überlegen, was weiter getan werden kann. Zum Schluss noch einmal: wenn Du die Kunstgeschichte aufgiebst u. Dich nach einem neuen Beruf umsiehst, dann halte ich den Blick auf den Buchhandel für glücklich. Ich habe Dir mit Absicht seine normaleArbeitslage geschildert; dass danebeb in diesem Beruf auch Möglichkeiten liegen, die man nicht vorher übersehen kann, darf daneben nicht vergessen werden. Möchte der Weg, den Du einschlägst, in die rechte Richtung führen, liebes Liesel, das wünsche ich in sorgendem Sinn von Herzen. In Liebe Dein Onkel Fritz Hamburg, 31.VIII. 35
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Hamburg, 28.Dez. 1936 Meine liebe Liesel Lass Dir noch einen schönen Gruss sagen, ehe es nach Leipzig geht. Wenn ich an meine eigenen Erfahrungen denke, wirkt die Stadt zuerst sehr bedrückend, aber wenn man ihren guten Seiten nachspürt, wird sie ausserordentlich anregend. Das wird Dir hoffentlich gelingen! Einige Ansatzpunkte dazu sind ja aus alten Beziehungen gegeben. Ich wiederhole wohl auch nur, wenn ich von Brockhaus spreche. Ich habe Marianne (die mit einem unverheirateten Bruder zusammenlebt, und zwar im gleichen Geschoss mit ihrem anderen Bruder Max, dem Musikologen, der mit Daisy Dufour-Fironce verheiratet ist) geschrieben, dass Du zu ihr kommen wirst und würde nicht zu lange damit warten. Trotz ihrer Kränklichkeit gehen allerlei geistige Fäden zu ihr. Ich habe sie gebeten, Dich bei ihrer Schwägerin einzuführen, die besonders reizend ist. Max, der Verleger von Siegfried Wagner und Pfitzner etc., hat bis vor kurzem als Vorsitzender des Gewandhaus-Direktioriums („Gewandhaus“ ist das Höchste in Leipzig!) eine grosse Rolle gespielt, im letzten Frühjahr hat ein schweres Augenleiden ihn gezwungen, die Tätigkeit aufzugeben. Ich habe Marianne weiter gebeten, Dich etwas später irgendwie mit Frau Tiemann, geb. Wildhagen, zusammenzubringen. Sie ist eine besonders reizvolle Frau, - eine der feinsinnigsten Sprecherinnen hoher Dichtung (auch öffentlich); ihr Mann Walter Tiemann ist der Direktor der Leipziger Bankgewerbe u. Kunstakademie und der beste in Leipzig lebende Buchkünstler (siehe Insel-Verlag). Dann lege ich einen Brief ein an Frau Professor Krippenberg, geb. Von Dübing, bei dem ich rate am Tage bevor Du ihr Deinen Besuch machst, zur Post zu geben. Als Datum steht nur „Hannas“ darin. Sie ist auf dem Gebiet des Insel-Verlags, -Wegbereiterin von Carossa u. Vielen anderen, = wirkliche Freundin von Rilke, der bei ihr seinen „Malte Lauritc Brigge“ geschrieben hat. Wirklich kennenlernen kann man sie nur durch ihr Rilke-Buch, das um ihretwillens wert ist gelesen zu werden, - auch wenn man die Rilke-Charakteristik nicht mitmacht. Solltet Du im Lauf der Zeit zu Ludwig Volkmann, der bis vor kurzem Leipzigs Buchhandel beherrschte, eine Einführung haben wollen (Breitkopf u. Haertel), so schreibe es mir. Er hat eine gelähmte Frau u. Deshalb jedenfalls kein geselliges Haus. Und nun, meine liebe Liesel, gehe mutig in’s neue Leben. Es wird nicht immer gut schmecken, aber es steckt doch ein wertvoller Kern darin, der glaube ich immer mehr zum Vorschein kommen wird. Ich denke Deiner mit herzlichen Wünschen! Dein Onkel Fritz |
Meine liebe Liesel Was denkst Du Dir für schöne Überraschungen aus! – Kaum hat man sich gewöhnt, Dich umgeben von einem Gebilde würdiger alter Bücher zu denken, - so ein bischen als freiwilliges Dornröschen, - da kommt ohne Übergang sogleich der Schlaf des Märchens. Es ist einer der hübschesten Märchenschlüsse, und ich freue mich herzlich, wenn ich an Dich denke. Möchte sich reiches Glück für Dich eröffnen, das Dein ganzes, mir so liebes Wesen voll umschliesst im Geben und Nehmen an der Seite eines vortrefflichen Mannes. Bei Deinem Bräutigam muss ich mich ja zunächst mit dem Konversationslexikon begnügen, was deshalb etwas wenig förderlich ist, weil ich das, was da steht, zum grossen Teil nicht recht verstehe. Schrecklich zu sagen! – aber dies mangelnde Verstehen, (was nicht etwa mangelndes Verständnis ist), wird er wohl gewohnt sein. Über das Konverationslexikon heraus kommen übrigens aus dem Haus des Lexikons einige Lichtstrahlen und ich kann sagen, wie ich mich darauf freue, ihn kennen zu lernen! Sage ihm das einstweilen mit herzlichem Gruss von seinem neuen Onkel. Und nun nimm selber, - ausnahms-weise, - einen Verlobungs Kuss von diesem alten Onkel, der sich aus der Ferne von ganzem Herzen mit Dir und uber Dich freut. Dein Fritz Schumacher Hamburg 19.II.37
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Meine liebe Elisabeth Wenn ich Dir heute zum Geburtstag schreibe, macht mir am meisten Spass, zum ersten mal die Anschrift an „Frau Professor Heisenberg“ zu Papier zu bringen. Das kommt mir doch immer noch höchst merkwürdig vor. Du hast unter dieser Firma nun schon so viel Neues erlebt, dass Du das garnicht begreifen wirst. Was kann ein einziges Jahr alles erleben lassen! Das sage ich nicht nur nach rückwärts schauend, sondern auch nach vorwärts. Und daran knüpfe ich meine herzlichsten Wünsche! Möchte das neue Jahr Dir viel Gutes und reiche Erfüllung aller Deiner Wünsche bringen. Im kommenden Winter wird mich ein Vortrag wieder nach Leipzig bringen. Da wäre es für mich sehr schön, wenn ich Euch dort noch träfe, aber ich wünsche es trotzdem nicht, sondern würde ein Begegnen beim sommerlichen Durchqueren Münchens bei weitem vorziehen. Einstweilen liege ich hier zusammen mit Deinen Eltern und Ernst in einer Liegestuhl-Kolonie auf der Helgoländer Düne. Unglaublich faul! Dieser Brief ist sowohl geistig wie körperlich (ich liege in einem tiefen Liegestuhl) eine ungeheure Leistung. Du siehst daraus, wie wir unsre Gesundheit pflegen; das geht auf Helgoland besonders gut, weil nichts ausser diesem Zweck los ist. Und nun grüsse Deinen Mann vielmals, und sei selber herzlich gegrüsst von Deinem Onkel Fritz Helgoland, 2. Juli 37
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Mein Lieber Werner Ich besuche hier auf einige Tage Deine Schwiegereltern und erfahre bei dieser Gelegenheit mit Schrecken, dass meine Nichte Ed. entgegen meiner Annahme am Bodensee den Verkehr mit Herrn Kb. fortgesetzt hat zugleich, dass Du über die Unhaltbarkeit dieser Situation mit ihr reden willst. Ich weiss nicht, inwieweit Deine Frau über meine Erkundigungen betreff K. Bescheid weiss, da ich seiner Zeit nur die Brüder und E. selbst von ihrem Ergebnis in’s Bild gesetzt habe. Dem damals schwer kranken Elternpaar habe ich nur allgemeine Eindrücke, keine Details mitgeteilt. Es weiss noch heute nicht, was ich damals getan habe. Als ich ein Gerücht hörte, E. hätte sich in München verlobt und sehen konnte, dass sie das nur ihren Eltern verheimlichte (sie war gerade zu den Osterferien von ihrer dortigen Tätigkeit an der Kunstgewerbeschule vorübergehend nach Berlin zurückgekehrt) reiste ich sogleich nach München, um Erkundigungen einzuziehen. Meinem Bruder gegenüber tat ich später so, als ob ich zu einer Tagung nach München hätte reisen müssen u. dabei durch Bekannte zufällig Einiges gehört hätte. – Überall wo man K. kannte, waren die Äusserungen so ungünstig wie denkbar, nicht nur bezüglich seiner pekuniären Verhältnisse (es war unklar, wovon er lebte), und bezüglich seiner Zuverlässigkeit. Das steigerte sich an beachtlicher Stelle bis zur Warnung. Vielleicht am härteten äusserte sich der Vater, den ich aufsuchte. – Ich erreichte, dann durch Frau Geheimrat Bernstein eine Zusammenkunft mit K., bei der er, als ich frug, wie er sich denn eigentlich eine Haushaltsgründung und seine Zukunftsmöglichkeiten dächte, äusserte: er betrachte das Ganze garnicht als Verlobung. Das war mir damals insofern ganz recht, als ich in Berlin (wo ich ohne Wissen meiner Geschwister war) durch alle diese Aufklärungen erreichte, dass E. auf mein Verlangen ihren Eltern erklärte: sie wolle nicht wieder nach München zurück, weil sie dort voreilig eine Art Verlobung eingegangen sei, die sie wieder lösen wolle. Dadurch kamen die Eltern über der Erschütterung hinweg, die ihnen die nicht mehr zu verheimlichende „Verlobung“ sonst bereitet hätte. Damals teilte ich E. u. ihren Brüdern alle Details meiner Erkundigungen mit u. glaubte, die Sache würde nun zu Ende gehen. Erst spät erfuhr ich mit Schrecken, dass K. nach Berlin übergesiedelt war. Er hat es dann augenscheinlich verstanden, die belastenden Punkte als „Kleinigkeiten“ oder „Torheiten“ aufzuklären. Die Beiden kamen von neuem zusammen. Meine Vorstellungen nützten nichts. Ebensowenig dir der Brüder. Nach Eurer Hochzeit glaubte ich E.‘s Antwort auf einen sehr ersetzten Brief, den ich ihr schrieb, so auffassen zu können, dass sie bei Übersiedlung an den Bodensee eine Auflösung der Beziehungen versprach. Es hat sich als Irrtum herausgestellt. Ich glaube, dass E. noch immer aneinen kommenden literarischen Rahmen von K. Glaubt, der mir in Wahrheit ganz unfruchtbar zu sein scheint, und dass er auf den Augenblick wartet, wo er sich durch sie irgendwie eine mühelose Existenz schaffen kann. Deshalb fürchte ich den Augenblick, wo E. etwa den letzten Ausweg in einer Ehe sieht. Soweit ich beurteilen kann, würde das ein dauerndes Unglück geben. Es wäre am schwersten wiede lösbar. Ich weiss, dass in solcher Furcht keine Lösung liegt, aber ich glaubte, Dir, ehe Du mit E. zusammenkommst, doch in grossen Zügen mitteilen zu müssen, was ich von der Angelegenheit weiss. Vielleicht ist Dir das alles schon bekannt. Es tut mir herzlich leid, solch wenig erfreulichen Brief zu schreiben zu müssen, - ich spräche Dir so gerne von guten Dingen! Ich erwarte keine Antwort. Mein Bruder weiss nichts von diesem Brief. Seine Frau weiss, dass ich Dir in dieser Sache schreibe, aber sie hat den Inhalt des Briefes nicht gelesen. Viele Grüsse Deiner lieben Frau und Dir selber, - und alle guten Wünsche für die Reise. Herzlichst Dein Fritz Schumacher sr. Silbermühle
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Mein lieber Werner Ich danke Dir vielmals für Deine ausführlichen Darlegungen in der traurigen Sache, die nun leider auch in Dein Leben mit hereinspielt, Ich weiss ihnen nichts Fruchtbares entgegen zu setzen, so schmerzlich mir das auch ist. Aber vielleicht ist es richtig, nachdem man alles Erdenkliche getan hat, um einen Schicksalsschlag abzuwenden, dem Leben demütig seinen Lauf zu lassen. Es ist wohl auch die einzige Möglichkeit, um bei den im Herzen Mitbeteiligtrn statt ewig nagender Gedanken diese relativen Grad von Ruhe zu erzeugen, der noch möglich ist. Ich denke an die gequälten Eltern. Hab vielen Dank! Und weiteren Dank für Eure freundliche Einladung. – Angesichts des doch wohl recht bemerklichen Gesamtzustandes von Marianne Brockhaus halte ich es doch für das Richtige, bei der alten Gewohnheit zu bleiben, an der sie Freude hat. Hoffentlich kommen wir Drei daneben noch zu unserem Rechte. Das wird mein ganzes Bestreben sein. Das beigeschlossene Buch, das eben erschienen ist, bitte ich freundlich aufzunehmen. Mit herzlichen Grüssen an Elisabeth und Dich Dein Fritz Schumacher sr. Hamburg. Okt. 37
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Liebe Elisabeth und lieber Werner Nun ist die kleine Familie wieder um einen Kopf grösser geworde, - ich gratuliere herzlich dazu! Der kleine Mann kommt ja in eine bewegte Welt, aus der ihm hoffentlich recht schöne Lebensbedingungen erwachsen! Möchte es seinen Eltern viel Freude bereiten und ein tüchtiges Glied unseres Volkes werden, das einer Zukunft entgegen zu gehen scheint, in der es viele tüchtige Männer nötig hat. Die liebe Mutter Elisabeth erholt sich hoffentlich recht schnell wieder, sodass sie sich bald an der ganzen kleinen Schaar erfreuen kann, die sie nun umgibt! Wir hören zu unserer Freude Gutes vom Walchensee. In diesen Tagen voller Spannung denkt man doppelt stark an die Seinen und freut sich, wenn man sie in einer friedlichen Ecke Deutschlands weiss. Mit allen guten Wünschen und herzlichen Grüssen Euer Fritz Schumacher sr z.Z. Güstrow (Mecklenburg) Kurhaus
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Meine liebe Elisabeth Wir hatten von der Ankunft der kleinen Barbara Elisabeth noch nichts gehört, als Dein lieber Brief kam, - umso grösser war die überraschende Freude! Wir hatten alle die Tage wartend und hoffend zu Dir herübergedacht. Und sind jetzt herzlich dankbar, dass es vorüber ist und ein „kerngesundes“ Kind das Ergebnis ist. Aber nicht nur das freut mich, sondern auch, dass es alle Regeln einer wohlaufgebauten Familie erfüllt und ein Mädchen ist. Möchte es ein rechter Segen und eine stete Freude für Euer Haus sein! – und möchte es in ein glückliches und beruhigtes Vaterland hineinwachsen! Der Umstand, dass Du nach drei Tagen einen solch lieben und schönen Brief schreiben kannst, lässt darauf schliessen, dass Du alles gut überstanden hast. Aber wenn es auch noch so gut gegangen ist, muss ich die Enerdie bewundern! Du wirst sie bald bei der Umsiedlung noch oft gebrauchen können. Diese, in gegenwärtiger Zeit grosse, Angelegenheit haben wir ja beide vor uns. Im bombengesegneten Hamburg (noch diese Nacht war ein Angriff und auch hier fielen Bomben) wird die Sache besonders schwierig sein, da für keine Arbeit und für keinen Termin Sicherheit zu haben ist. Wir hoffen auf den 3.Dezember als Umziehtag. Von meinem lieben Hause trenne ich mich mit Schmerzen, aber es geht nicht anders, weil meine Bewegungsfähigkeit abnimmt. Ich habe deshalb mein neues „Heim“ auch noch nicht sehen können; ich kann nur aus der Ferne die allerdings endlosen Schwierigkeiten regeln. Dass ich bei der eigentlichen Schlacht untätig beiseite stehen muss, wird mir besonders schwer. Hoffentlich wird Eure Wohnungsfrage auch bald klar und kommst Du in eine recht erfreuliche Wohnung. Grüsse bitte Werner vielmals von mir und sage ihm meine Glückwünsche. Mit allen guten Wünschen für Barbara und für Dich selbst, und mit vielem Dank für Deine liebe Benachrichtigung Dein getreuer Onkel Fritz Lüneburg
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Lüneburg, Am Werder 17 10. Nov. 43 Meine liebe Elisabeth Dein lieber Brief war uns eine grosse Freude. Du brauchst nicht bange zu sein, dass wir Dir das eventuelle Ausbleiben eines Briefes anrechnen, - wir bewundern vielmehr, dass Du bei allem, was auf Dir liegt, uns immer noch so ausführliche und lebendige Briefe schreiben kannst. Wir verfolgen darin mit grosser Anteilnahme Dein Leben und das Ergehen von Euch allen. Dass Deine Schwiegermutter nun auch obdachlos geworden ist, hat uns sehr traurig berührt! Hoffentlich ist es möglich gewesen, Einiges wenigstens zu retten. Dein Hilfeangebot hat uns gerührt. Aber wir haben jetzt das Notwendigste, und Du darfst Deinem reichbevölkerten Haushalt keine lebensnotwendigen Dinge entziehen. Hab vielen, vielen Dank für die Absicht. Für Brauers, bei denen wir in drei kleinen Zimmern wohnen, habe ich vor 40 Jahren ein Haus gebaut, das sie sehr geliebt haben, - nach dem Tode von Herrn Brauer ist es an die Partei übergegangen. Es sind reizend gütige und hilfsbereite Leute (Mutter u. Tochter), die auch versucht haben, meinen trüben Geburtstag möglich festlich zu machen. Während wir sonst in verschiedenen Gaststätten herumessen, hatten sie zu einem festlichen Mahl eingeladen, das schliesslich aus 12 Personen bestand, denn von allen möglichen Seiten kamen liebe Freunde angereist. Darunter auch Schwester Emmy aus Flensburg, sodass nur Deine lieben Eltern an unserem Geschwisterkreise fehlten. Wir sind aber sehr froh darüber, dass sie weit weg sind, denn wer weiss, was hier noch geschieht. Am letzten Sonntag war ich zum ersten Mal mach der Katastrophe wieder in der Trümmerstadt Hamburg. Ich war eingeladen, dem ersten Vortrag in dem erstaunlicher Weise unzerstörten grossen Saal der Kunsthalle zu halten, und es wurde alles so eingerichtet, dass ich es trotz meiner Hilflosigkeit wagen konnte. Da habe ich stillen Abschied von meinem Hamburg genommen, denn wohnungslose u. Arbeitsunfähige Menschen werden nicht wieder in die Stadt hereingelassen. – So müssen wir heimatlosen Pilger bleiben, denn anderwärts bekommt man auch keine Wohnung. Aber das sind leichte Sorgen, wenn man um sich blickt. Man muss dankbar sein, ein freundliches Dach zu haben. Leider hören wir von allerlei Schäden, die in Leipzig im Buchhändler-Viertel entstanden sind. Reclams, Velhagen, vor allem Volkmar, wo auch die ganze neue Auflage meines“Lesebuch für Baumeister“ (2000 Cop.) verbrannt ist. Die Frontententter o. Dozenten hatten sie erlangt. Verhältnismässig scheint der Angriff nicht bedeutend gewesen zu sein. Und nun meine herzliche Grüsse u. Wünsche für Dich u. Die Deinen, - auch von den Schwestern, denen es leider nicht gut geht, In alter Liebe Dein Onkel Fritz Schumacher
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Lüneburg, Am Werder 17 Tel. 8821 Dezember 1943
Meine Liebe Elisabeth Wenn man doch sehen könnte, wie es jetzt bei Euch aussieht! Ihr müsst eine unsagbar schwere Zeit gehabt haben, deren Bewältigung wir uns garnicht vorstelen können. Hoffentlich ist sie nun überstanden, sodass Ihr wieder aufatmen könnt. Ich habe sehr unangenehme Kindheitserinnerungen an diese Krankheit, aber auch besonders schöne, ganz unvergessliche Erinnerungen an die Zeit der Rekonvaleszenz. Auf etwas Ähnliches hoffe ich jetzt für Euch. Möchtet Ihr ein harmonisches Weihnachtsfest trotz allem Bösen haben. Man misst ja mit einem anderen Mass wie gewöhnlich, wenn man um sich blickt. Das werden auch wir tun und alles hervorsuchen, wofür wir dankbar sein können. Es ist Vieles. Vor allem, dass wir in unserem kleinen Gewese mit wirklich guten Menschen zusammensitzen; sie sind nicht nur liebevoll uns gegenüber, sondern erstrecken ihre Hilfe nach allen Seiten, wo Not ist. Und dabei hane sie selber manche persönlich Trauer zu überwinden. Am Weihnachtsabend werden wir mit ihnen zusammen sein. Die Besuche aus Hamburg, die wir oft haben, werden durch die Verkehrssperre in nächster Zeit leider nicht möglich sein, aber wir bekommen viele Zeichen der Freundschaft. Neulich war ich zum ersten mal wieder in Hamburg. Im Vortragssaal der merkwürdiger Weise unversehrten Künstlerhalle habe ich die Vorträge eröffnet, die von der „Patriotischen Gesellschaft“ zusammen mit der „Goethe Gesellschaft“ für den Winter unternommen wurden. Ich sprach über das „Weltbild Goethes“ und alles war so eingerichtet, dass ich es mit meinen vielen Behinderungen leisten konnte. So habe ich Freude daran gehabt. Wir geniessen hier jetzt eine Weihnachtsvorfreude, auch Tante Emmy Lassen auf der Reise nach Flensburg für 10 Tage bei uns eingekehrt. Soweit wir wissen, ist es in Berlin für die Wohnungen unserer Angehörigen gut gegangen. Ein Wunder bei den Zerstörungen. Aber nun nehmt die herzlichsten Weihnachtswünsche Ihr Lieben! Dass Dass Werner bei Euch ist, nehme ich an. Ihm gelten also auch die guten Wünsche. Was mag alles an Beruflichen neben den Persönlichen noch auf ihm liegen! Es grüsst Euch alle Euer Onkel Fritz Schumacher
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Lüneburg 25.IV.44 Meine liebe Elisabeth Wir haben uns so sehr über Deinen glücklichen Brief gefreut, aus dem man auch sieht, dass die Arbeit Dir nicht über den Kopf wächst, was unter den heutigen Verhäktnissen nicht so ganz unwahrscheinlich wäre. Heute will ich Dir nur eine kleine Mitteilung machen, aus der Du siehst, dass es mir Freude macht, auch einmal ein bischen „Onkel“ zu spielen. Die materielle Seite des „Lessingpreises“ gibt mir den Anlass dazu. Ich habe Deinen lieben Vater gebeten, bei der Bezirkssparkasse in Überlingen zwei Sparkassenbücher, eines für Maria und eines für Wolf auf je 1000 M einzurichten und das ist, wie er mir eben mitteilte, jetzt geschehen. (Es sind die Nummern 6314 für Maria und 6925 für Wolfgang) Leider kann man ja jetzt Kindern keine Freude (als Onkel) machen, aber hoffentlich werden die Verhältnisse so, dass es ihnen später einmal eine kleine Freude macht. Nun kannst Du mir eine besondere Freude machen, wenn Du dies einfach ad acta zur Kenntnis nimmst und mir nicht weiter darüber schreibst, weil Du genug Anderes zu tun hast. Alle guten Wünsche Dir und den Deinen, meine liebe Elisabeth, Dein Onkel Fritz
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Lbg. 12.XII.44 Meine liebe Elisabeth Man muss schon an das Heranrücken des Weihnachtsfestes denken, um Euch rechtzeitig einen Freundlichen Gruss für die Festtage zu schicken. Wir werden Euer herzlich gedenken. Leider können wir gar wenig für Weihnachtsstimmung tun, da der Weihnachtmann eingezogen zu sein scheint. Aber wenn Ihr alle gesund seid, was ich von Herzen hoffe, wird es trotzdem im Kreise Eurer Kleinen nichts an Stimmung fehlen. Lasst Ihr Grossen Euch auch recht gründlich davon anstecken! Das ist mein Vordergrunds-Wunsch, - dass im Hintergrund andere sehr heisse Wünsche lauern, brauche ich nicht zu sagen. Möchte ein guter Stern nicht nur während der Festtage, sondern im ganzen kommenden Jahr über Euch walten! Mit herzlichem Gruss auch an Werner Dein Onkel Fritz Eben kommt ein lieber Brief von Werner, für den ich herzlich danke!
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Ihr Lieben, Im Nachstehenden hatte ich angefangen einige Notizen über unser Ergehen aufzuzeichnen. 31.Mai 1945 Beim immer näheren Vorrücken der feindlichen Kräfte war bekannt geworden, dass Lüneburg sich nicht als “Festung” zur Wehr setzen würde, wie die deutsche Führung in unseliger Verkennung der Lage dies von so vielen Städten unter Preisgabe vieler ungeübter Volksgenossen und letzter Baudenkmäler forderte, sondern sich als “Lazarettstadt” nicht verteidigen werde. Aber es musste doch noch bei einem kurzen aber schweren Angriff zahlreiche seiner besten Wohnhäuser in Trümmer gelegt sehen; viele Freunde und Bekannte kamen in grosse Not. Als bei einem der letzten Alarme plötzlich alles Licht versagte, stürzte ich auf dem Weg zum Luftschutzkeller eine Steintreppe herunter. Beim Erwachen aus der Bewusstlosigkeit stellte der Arzt zwar fest, dass ich nichts gebrochen hatte, aber ich war so gut wie gelähmt. In diesem Zustand völliger Hilflosigkeit musste ich die entscheidenden Tage unseres Zusammenbruchs durchleben und hatte reichlich Zeit, mich ohne Ablenkung auf die schweren Sorgen im weiten eigenen Familienkreise und auf das Elend, in das unser Volk unaufhaltsam geführt worden war, zu konzentrieren. Es ist erstaunlich, was der menschliche Geist ertragen kann, ohne sein Gleichgewicht zu verlieren. Das ist wohl nur möglich, weil man unfähig ist, den ganzen Horizont des Leids gleichzeitig zu überblicken, sondern nur einzelne Sektoren nach einander im Geiste zu erleben vermag. Als ich nach einigen Tagen aus dem Keller wieder in mein Zimmer transportiert werden konnte, kam ich unter sorglicher Pflege meiner Schwestern, die sich tapfer hielten, so weit, dass ich wieder anfange zu gehen. Nachdem die schwere Sorge genommen war, dass Hamburg unnütz geopfert würde, wurde das von Truppen überschwemmte Lüneburg in einer Nacht mit bewundernswerter Schnelligkeit wieder leer, um in den noch unberührten nördlichen Zonen des Reiches die Verhältnisse zur Entscheidung zu bringen. Wenn man einmal durch diese Katastrophe hindurch musste, hat die Geschwindigkeit der Entwicklung uns vor zwei äusersten Schrecklichkeiten bewahrt, die mir immer, wenn ich an diesen Ausgang dachte, unvermeidbar erschienen: vor Bürgerkrieg und vor Proletarier-Herrschaft, der in Deutschland lebenden fremden Arbeiter. Einige vereinzelte Proben zeigten, was das bedeutete. Es heisst, dass das noch weitgehend unzerstörte Lüneburg zum Sitz der englischen Besatzungs-Leitung gemacht werden soll.{ ist nicht geschehen, Wir sind noch in unseren Räumen} Augenblicklich ist so viel Militär hier, dass sich die Einwohnerzahl mindestens verdoppelt haben wird. Das hat zur Folge, dass viele Häuser von ihren Bewohnern geräumt werden müssen, und zwar vollständig, denn eine Mischung von Deutschen und Engländern wird nicht zugelassen. Die meisten unserer Bekannten sind davon betroffen. Im Augenblick sind wir in gewisser Weise dadurch geschützt, dass ein Zahnarzt in unserem Hause wohnt, da man die ärztlichen Einrichtungen möglichst nicht stört. Was noch wird, lässt sich nicht voraussehen. Wir sind in zwei Zimmer zusammengezogen, da 5 wohnungslose Verwandte von Brauers aufgenommen sind und noch weitere erwartet werden. Ausserodentlich gefreut hat uns, dass Rudolf Petersen das schwere Amt des neuen Bürgermeisters übernommen hat. Heute schickte er mir ein Auto, das mich zu seiner Beratung nach Hamburg holen wollte. Leider konnte er nur einen Brief zurücknehmen, in dem ich die wichtigsten Fragen beantworten konnte. Alles was man vom Aufbau der Verwaltung Hamburgs hört, klingt gut. |
15. Sept. 45 Heute zeigt sich eine leise Hoffnung, dass jemand diesen Brief nach Überlingen mitnehmen kann. Wir haben schon öfter auf diese Hoffnung hin kurze Lebenszeichen zu Euch mitgegeben. Hoffentlich ist irgendeiner angekommen. Ein ausführlicheres Skriptum halte ich noch zurück für eine etwas sicherere Gelegenheit. Von Euch und alle den Euren haben wir noch keinerlei Nachricht, - das liegt schon auf der Seele, denn die Sehnsucht nach Euch ist übergross. Uns geht es verhältnismässig gut. Ich kann wieder kurze Wege allein auf der Strasse machen. Sonst Rollstuhl. – Site leidet an den Augen (grauer Star) und Conny hat vielerlei Leiden, aber sie ist trotzdem sehr tätig. Wir haben uns längere Zeit mit Versuchen abgequält, ob wir wieder nach Hamburg zurück könnten; Parterre etc. wünschten es dringend. Schliesslich erwies es sich z.Z. als undurchführbar, einen Haushalt aus dem Nichts aufzubauen. Dazu kam die völlige Unlösbarkeit der Heizungsfrage. Hier sind natürlich auch grosse Schwierigkeiten, aber wir haben doch einen Kachelofen und einiges Heizungsmaterial. Ich bin aber von hier aus beratend für Hbg’s Wiederaufbau tätig und habe viel zu tun. Für wichtige Sitzungen werde ich herüber geholt. In Kürze halte ich einen programmatischen Vortrag über die Wiederaufbau-Probleme, zu dem alle massgebenden Stellen geladen wurden. Aber die Engländer haben noch nicht zugestimmt. Die Schwierigkeiten vor denen man steht u. denen man immer begegnet, sind unbeschreiblich: technisch, finanziell und unendlich. Petersen hält sich tapfer. Und nun noch einige Notizen über die Verwandten. Bei Lassens in Flensburg ist Asmus zurückgekommen. Von Dr. Heinz brachte ein Patient Nachricht, dass sein Lazarett in der Nähe von Pilsen (amerikanisch) liegt. Von Theti, um die wir uns sehr sorgten, meldete ein Patient aus Berlin, dass sie wie durch ein Wunder alle Fährungen gut überstanden hat. Anneliese liegt schwer Lungenkrank in einem Sanatorium der russischen Zone; von ihrem Mann wissen wir nichts; die Kinder sind in Flensburg. In Bremen sind beide Söhne Sch. bei der schwer leidenden Mutter, aber ohne Arbeit. Dem Iken-Stamm geht es gut. Und nun die Hauptsache: Euer Fritz schickte einen Boten aus Nauheim {Über das, was er dort machte etc. konnten wir nichts herauskriegen. Auch die Adresse wollte er nicht sagen}, um Eure Adresse zu erfahren. Er ist hoffentlich inzwischen bei Euch gewesen! - Sein hier angekündigter Besuch ist bisher noch nicht erfolgt. Ob Ihr ein Zeichen von Eurem Hermann bekommen habt? Das ist immer unsere stille Hoffnung; aber noch eben hiess es im Radio, der Rücktransport der Norweger Gefangenen wäre noch im Gange. Und Liesel? Und Edith gr.? Ach, es sind so viele Fragen! Ständig verfolgt mich die Furcht, dass Ihr in wirtschaftlichen Schwierigkeiten seid? So seid gegrüsst, Ihr Lieben, viele, viele Male! Euer Fritz |
1. Okt. 45 Liebe Edith Endlich die Möglichkeit zu einem lang ersehnten Gruss! Wenn er Euch alle doch in einigermassen gutem Zustand träfe! Heisse Wünsche dafür gehen zu Euch. - Wir haben von Euch und Walchensee nichts gehört, wissen nur, dass Fritz im Lande war, und indirekt, dass Hermann in Deutschland ist. In Flensburg ist Asmus bei den Eltern, ebenso die 3 Enkelkinder. Anneliese ist im Juli einsam in einem Sanatorium an Nierentuberkulose gestorben. Helmut ist fort. Theti hat die Berliner Katastrophe unbeschädigt überstanden u. praktiziert. Von Dr. Heinz durch Patienten Nachricht aus Pilsen (amerik.). - In Bremen bei allen Verwandten Söhne zurückgekehrt. - Und Dein Mann? Wis sind noch in unseren beiden Räumen. Bürgermeister Rudolf Petersen besuchte mich hier. Verbindung mit Hamburg als Berater. Mit Adenauer im Briefwechsel. Die Schwestern halten sich tapfer trotz mancher Schwierigkeiten. Ich einigermassen arbeitsfähig. Wir haben einen Ofen und wirtschaften selber. Die Schwestern u. ich denken immer in Liebe an Euch! Onkel Fritz. (der unsicher über die Adresse seines Bruders ist) |
Lüneburg, 23.Nov.1945 Tel. 9821 Meine liebe Elisabeth Wir suchten vergeblich uns vorzustellen, wie wohl die Wellen sein würden, die der Zusammenbruch am Walchensee geschlagen haben würde und dachten mit grosser Sorge daran. Nun hat Dein lieber, anschaulicher Brief diese Ungewissheit aufgehoben, und wir können mit der einen Hälfte unserer Gedanken einigermassen beruhigt zu Dir hinüberdenken. Die andere Hälfte aber, die sich auf Werner bezieht, bleibt leider dunkel. Ich hatte mir die Tatsache, dass man sich seiner bemächtigen würde, nicht viel anders vorgestellt, aber dass man Dich so im Ungewissen liesse, habe ich mir doch nicht gedacht, und denke mit herzlicher Teilnahme an die Art, wie Ihr Beide in’s Ungewisse hinein nach einander sehnen und um einander sorgen müsst. Ich glaube diese Geheim-Behandlung hängt nicht eigentlich mit Gründen zusammen, die in Werner liegen, sondern ist die indirekte Folge der diplomatischen Fragezeichen, die um das Thema „Atombombe“ kreisten und noch jetzt kreisen, wenn ja der Versuch der Geheimhaltung, Gott sei Dank, durch die letzten Verhandlungen zwischen Truman und Attlee beschlossen ist. Ich glaube, dass die Russen nur durch dieses Thema davon abgehalten wurden, midestens bis zur Nordsee vorzudringen. Nun haben wir endlich, endlich auch von Deinen Eltern Kunde, das Aufhören jeder Verbindung war eine schwere Prüfung. Ich bewundere die Ruhe, mit der alle Schwierigkeiten hingenommen werden; nur bei Ediths Fortgang nach Weilheim kommt ein Ton der Klage, (aber ist es nicht vielleicht ganz gut, wenn eine gewisse Entfernung zwischen Erich un Deinem Vater liegt?) Ich glaube, dass das Erscheinen von Fritz die Wirkung all des Furchtbaren, was wir erlebten und erleben, heilsam übertönt hat. Auch ich bin glücklich darüber, denn jahrelang hat der Gedanke, wie diese Rückkehr werden würde, mir schwer auf der Seele gelegen, - Jetzt ist es Gedanke an den lieben armen Hermann, den man nicht freigelassen hat, denn dass er am 1. Sept. In Wenemünde an Land gegangen ist, ist verbürgt. Was mag mit ihm geschehen sein? Onkel Heiz Lassen kommt und kommt nicht zurück. Asmus ist da, Marie-Therese ist in Berlin unversehrt geblieben. Anneliese ist im Sanatorium einsam gestorben, ihr Mann wahrscheinlich verschleppt, die drei Kinder bei den Grosseltern in Flensburg. Und nun wir. Es ist uns recht wechselnd ergangen: allerlei Krankheit und Schwierigkeit. In den Tagen der Katastrophe stürzte ich im Dunkeln, als Bomben fielen eine Steintreppe herunter und war längere Zeit fast völlig gelähmt. Aber jetzt habe ich ein kurzes mühsames u. Schmerzliches Gehen wieder gelernt, sodass wir wieder mittags auswärts essen können. Für das Abendessen ist in einer Ecke des Schlafzimmers der Schwestern eine elekrt. Küche eingerichtet. Wir sind in zwei Zimmer zusammengezogen, denn Lüneburg hat seit der Besetzung die doppelte Einwohnerzahl. Eine Rückkehr nach Hamburg, die der Bürgermeister dringend wünschte, erwies sich als unmöglich, sowohl wegen unmöglicher Wohnräume, als weil es ausgeschlossen ist, zur Zeit einen Haushalt aus dem Nichts aufzubauen. Ich bin Berater von Hamburg für die Wiederaufbau-Fragen u. Werde nach Bedarf im Auto herübergeholt. Vor kurzem zu einer programmatischen Rede im Rathaus, der auch Engländer beiwohnten. Sie sind in zwei Sprachen erschienen. Auch für Lüneburg gibt es Arbeit genug. Glücklicher Weise, denn das ist ja das Einzige, woran man sich halten kann. Die Schwestern grüssen Dich und die Kinder herzlich. Möchtet Ihr gesund und mutig bleiben; auch die Weilheimer Familie. In alter Liebe! Onkel Fritz
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Lüneburg, 14. Dez. 45 Meine liebe Elisabeth, Hoffentlich haben Deine Kinder es fertiggebracht, trotz aller Hemmungen der Zeit Weihnachtsstimmung bei Dir entstehen zu lassen. Für Dich aber wird solch ein Fest neue Arbeit bedeuten. Ich stelle mir manchmal vor, wie schwer es sein muss im Schnee überhaupt von Eurer Höhe herunter zu kommen, und das wird doch für die Verproviantierung nötig sein. Dein Vater schrieb uns von Deinem Vorstoss im frankfurter Hauptquartier und seine Erfolgen. Darüber waren wir voll Freude und wurden erinnert an die kleine Schrift unserer Urgrossmutter, die wir als Jungens gedruckt haben: da erlebt sie in Leipzig die Folgen der Schlacht von Jena 1806, und sie macht den Weg für sich und ihre Begleiter den Weg dadurch frei, dass sie mutig in’s französische Hauptquartier geht und dort alles Nötige durch ihr Auftreten durchdrückte. Bravo, liebe Ururenkelin! Du hast uns wieder so lebendig von Eurem Ergehen erzählt, dass wir ganz das Gefühl haben, einmal mit Dir geplaudert zu haben. Die Nachricht, dass Werner’s Mutter gestorben ist, hat mich in Gedanken an ihn schmerzlich bewegt. Man fühlte wie nah er ihr stand und hatte von der Hochzeit her einen reizenden Eindruck von ihrer impulsiven Persönlichkeit. Im Stillen glimmt mir ja die Hoffnung, dass Werner zu Weihnachten wieder bei Euch erscheint. Wäre das eine Freude. Möchte sie Wirklichkeit werden! Wir waren recht traurig, dass wir diesmal auch nicht das kleinste Spielzeug für Deine Kinder auftreiben konnten. Die beiden kleinen 500Gramm-Päckchen, die wir Dir schickten, enthalten nur prosaische Esswaren. Die Schwestern rühmen vor allem die Brauchbarkeit und Nützlichkeit der Nährhefe, die man eigentlich an alles – Nahrunswert und Geschmack verbessernd – hinzutun kann. Und nun hoffe ich, dass Du die Festtage gut verlebst und den an Dich mit den wärmsten Wünschen für das kommende Jahr. Wieviele Wünsche man für dieses Jahr hegt, lässt sich garnicht sagen. Es gibt kaum etwas im augenblicklichen Dasein, an das sich nicht ein ganzes Bündel von Wünschen knüpft. Möchte ein gnädiges Geschick Euch und Allen wenigstens die Hauptsachen erfüllen! Die Hoffnung wollen wir nicht aufgeben. Grüsse die Kinder! In herzlicher Liebe Dein Onkel Fritz |
Liebe Edith und lieber Erich, Mein Gruss zum Fest und zum neuen Jahr kommt sehr spät, weil wir Eure Adresse nicht wussten und uns aus Überlingen erbeten haben. Ich möchte Euch doch in Eure neue Heimat herzliche Wünsche sagen. Hoffentlich lebt Ihr Euch gut ein in den neuen Verhältnissen, und findet Erich ein Beschäftigung, die ihn befriedigt. Wie gut, dass er verhältnismässig so bald entlassen ist; man erlebt so vielfach, dass Gefangene noch eine lange Zeit durchzumachen haben, ehe es so weit ist; wie z.B. unser lieber Hermann. Ich hoffe immer, dass er unter denjenigen ist, die in dieser Zeit, - freigegeben werden. Das wäre die schönste Weihnachtsfreude für Deine Eltern, liebe Edith, die sich recht einsam fühlen werden, nun Du mit Deinen Kindern verschwunden bist. Es ist ja in diesem Jahr des Leides nicht leicht festliche Gefühle zu bekommen, aber ich denke, Eure Kinder werden es doch fertiggebracht haben. Es ist nur schade, dass man auch nach kleinstem Spielzeug vergebens Jagd macht. So ist es wenigstens hier in Lüneburg. Unsere kleinen Pakete sehen deshalb in Inneren recht enttäuschend und prosaisch aus, - sie sind nur die Andeutung einer guten Absicht. Hoffentlich habt Ihr ein warmes Zimmer. Unseres ist so hoch, dass wir es, wenn es draussen friert, nicht auf mehr als 10-12 Grad bringen. Die Engländer erlauben keine Briketts, ich habe aber gestern als Anerkennung für einen aktuellen Vortrag, den ich im Rathaus gehalten habe, ein paar Sack Braunkohle-Grüs(?) bekommen, vielleicht hilft das etwas. Obgleich ich durch einen Sturz noch gebrechlicher und unbeweglicher geworden bin, als ich durch mein Rückenleiden schon war, habe ich die Aufgabe angenommen, Berater Hamburgs bei seinen Wiederaufbau-Fragen zu sein und werde nach Bedarf im Auto herübergeholt. Auch dort habe ich im grossen Rathaussaal einen programmatischen Vortrag gehalten, dem die Engländer beiwohnten. Man muss dankbar sein, dass man noch leidlich arbeiten kann, wie sollte man sonst wohl alle die Erschütterungen dieser Zeit aushalten. Seit die Postverbindung geöffnet ist, bekomme ich aus München viele sehr traurige Briefe. Alle meine näheren Bekannten haben alles verloren und stehen vor einem Leben voller Fragezeichen. Die Stadt muss furchtbar aussehen. Der Oberbürgermeister schrieb mir, ich möchte herunterkommen und mitberaten, wie ihre Zukunft aussehen sollte. Ich klärte ihn über meinen Zustand auf. - Gefreut habe ich mich über ein Schreiben von Prof. Karl Sattler, der mitteilte, dass er wieder die Leitung der “Akademie für Angewandte Kunst” übernommen habe und sich auch nach dem Ergehen meiner Nichte erkundigte. Ich kann mich noch garnicht daran gewöhnen, mir die Städte, die ich liebe, so vorzustellen, wie sie jetzt wirklich sind, - ich sehe sie immer unbewusst so, wie ich sie kenne, und muss dann mühsam umdenken. Hoffentlich wohnt Ihr in einer Umgebung, die einigermassen verschont geblieben ist, - es erleichtert das Leben doch sehr. Wis sind in zwei Zimmer zusammengezogen, denn Lüneburgs Einwohnerzahl ist seit seiner Besetzung mehr als doppelt so gross geworden u. es ist doch erheblicher Wohnraum zerstört, trotz der verhältnismässig guten Erhaltung vor allem der alten Stadt. Die Brauer’sche Wohnung, in der ursprünglich zwei Frauen hausten, zählt jetzt zwölf Insassen; fast alle Verwandte von Frau Brauer, die in tiefer Not als Flüchtlinge hier ankamen. Dies Flüchtlings Elend ist noch lange nicht zu Ende. Man hat gar viele Wünsche an das neue Jahr zu richten. Man kann sie garnicht alle in Worte fassen. - So will ich nur an das Persönliche denken, und dazu gehört auch, dass es der kleinen Familie Kuby, die jetzt endlich vereint ist, recht gut gehen möge. Möchte sich das erfüllen! Ich grüsse Euch alle herzlich! Euer Onkel Fritz Schumacher Lüneburg, 16. Dez. 45 Vielleich versteht Thomas es schon, aus den anliegenden Pappstücken die kleinen Möbel zu basteln, die man damit machen kann, und freut es Euch, das eine oder andere Bild im beiliegenden, nicht meht ganz zeitgemässen Heft zu sehen. |
Lüneburg 27. Mai 46 Meine liebe Edith Zu Deinem Geburtstag sollen herzliche Wünsche zu Dir kommen. Er trifft Dich in ganz neuen Lebensverhältnissen, - aber ich habe nach Deiner lebendigen Schilderung den Einruck gewonnen, dass sie im guten Sinne zeitgemäss sind und dass man Dir dazu gratulieren kann. Ferner gratuliere ich Dir dazu, dass wir nun Deinen Bruder wenigstens in Sicht haben, (vielleicht ist er ja schon wieder in Freiheit, ) Welcher Druck dadurch von mir genommen ist, kann ich garnicht sagen, denn ich hörte die unerfreulichsten Nachrichten über seinen bisherigen Aufenthalt. Der erste, der uns diese Nachricht brachte, war Erich, der ja in allen Ecken und Enden von Deutschland über die Menschen Bescheid weiss. Wir haben uns ganz besonders über seinen Besuch gefreut und hatten den Eindruck, dass er auf guter Fahrt ist. Wie schön ist das! Ich schreibe dies im Bett, denn es geht mir nicht gut. Ich siedle morgen nach Hamburg in mein altbekanntes Krankenhaus Elias, Hochweide, über, wo man mich von einem meiner mancherlei Leiden zu befreien hofft. Unterdessen ziehen wir hier in zwei Zimmer einer anderen Wohnung, weil wir das eiskalte Nordzimmer nicht noch einen Winter riskieren können. Die Zimmer sind unmöbliert, sodass wir das Nötigste zusammen schnorren müssen; aber es wird zunächst ein robinsonartiges Dasein ist, denn wir haben gar nichts u. kaufen kann man nichts. Mit herzlichen Wünschen für Dich u. die Deinen, liebe Edith Dein Onkel Fritz |
Liebe Edith und lieber Erich Dicht hintereinander kamen hier in den letzten Tagen zwei Pakete aus Weilheim an: eines für die geistige und eines für die leibliche Nahrung. Einen so gescheiten Mann wie Schaffler bei seinem kritischen Verkehr mit den führenden Künstlern seiner Zeit zu verfolgen ist in der Tat ein Vergnügen; was er von den Nöten nach 1933 zu sagen hat, weiss ich noch nicht, denn eine sehr radikale Strompause macht Lesen und Schreiben nach Dunkelheit zur Zeit unmöglich. Man wird zu einem merkwürdig inhaltlosen Dasein gezwungen, denn wer hat Kerzen? Da ist dann ein Griff in den Rachen der leiblichen Genüsse eine angenehme Unterbrechung. Er schmeckte so überraschend gut nach bester alter Zeit, dass dem ersten Griff bald ein zweiter folgt - und so weiter. Habt vielen Dank für beide Formen des Kunstgenusses, besonders aber für die nahrhafte Überraschung, die unter dem kleinen Rücken verborgen lag. Aber wie könnt ihr nur etwas so Kostbares entbehren? Wir haben es augenblicklich nicht schlecht in puncto Essen, denn einige jüdische Freunde, denen man in schlimmer Zeit etwas helfen konnte, zeigen jetzt solch rührende Dankbarkeit, dass man ganz beschämt ist. Ähnliches werden, wie ich hoffe, auch Deine Eltern, liebe Edith, noch erfahren, wenn ihr Aufenthalt erst in USA bekannt geworden ist. Sonst können wir nicht gerade sagen, dass es uns gut gegangen ist. Zeitweise lagen Tante Site und ich gleichzeitig. Anfang November erfassten qualvolle Komplikationen meiner Mangelkrankheit plötzlich auch mein Gesicht und ich musste sofort in’s Krankenhaus. Nach einer bösen Zeit kam ich nur scheinbar geheilt in mein Bett zurück, das noch immer mein Aufenthalt während eines Teils des Tages ist. Eine tüchtige Gürtelrose hat das Konzert meiner Schmerzen vervollständigt. Trotzdem haben wir die Feiertage ganz gemütlich verbracht, und jetzt laufen meine aufgestauten Arbeiten weiter. Für das neue Jahr hat man übermässig viele Wünsche: ganz grosse. Die sich auf das Vaterland beziehen, und bescheidener in grosser Anzahl, die das eigene Leben und das der lieben Angehörigen berühren. Darin seid auch Ihr mannigfach einbezogen. Möchte das Jahr trotz allem Dunkel für Euch segensreich sein! Die Schwestern grüssen Euch vielmals und mit ihnen Onkel Fritz Schumacher. Lbg. 5. Jan 47 |
Vom Krankenbett diktiert Lüneburg 21.7.47 Wilschenbrucherweg 65
Liebe Elisabeth, Du hast uns wieder solch reizenden Einblick in Euer Leben gegeben, teils durch Worte, teils durch Bilder, sodass wir jetzt wieder ganz Anschluss an Euch erreicht haben, der nach dem Umzug nach Göttingen sich nicht recht einstellen wollte. Dass Ihr nach Überlingen wollt, - was vielleicht inzwischen geschehen ist – hat uns ganz besonders erfreut. Hoffentlich gibt es ein schönes Zusammensein. Wenn wir Euch als Gegengabe Photos von uns schicken wollten, würde es nicht sehr erbaulich sein. Tante Site liegt im städt. Krankenhaus, es geht ihr schon etwas besser, doch ist sie leider noch nicht in Ordg. Onkel Fritz liegt im Hilfskrankenhaus und macht eine qualvolle Zeit durch, die hoffentlich bald besser wird. Heute war der erste Spezialist für Hautkrankh. aus Hbg, zur Konsultation hier und war zufrieden mit der Behandlg. Des hiesigen Arztes, der auf Urlaub ist. Leider sagen noch alle Fachleute, dass es noch lange dauern würde. Grüss Deine lieben, süssen Kinder!, und Deinen lieben Mann, - über das Bild von Euch beiden haben wir uns ganz besonders gefreut. Viele herzliche Grüsse und herl. Dank von Onkel Fritz Und die Tanten
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